Heldenleben

Der Stadtteil Gräselberg gehört zu den einkommensärmsten Vierteln Wiesbadens. Die Schließung einer Hauptschule vor Ort gab den Raum für ein spannendes Vorhaben: Physiksaal, Großküche, Heizungskeller im Schulgebäude bieten lebensvolle Kulissen für ein Theaterstück, das ganz aus den Erfahrungen, Wünschen, Gedanken und Träumen der Teilnehmer entsteht.

Mehr als 40 Bürgerinnen und Bürger der Stadt fanden sich zusammen, um sich über ihre eigenen Hintergründe auszutauschen, sich mit einem antiken Stoff zu konfrontieren und aus diesen Begegnungen einen einzigartigen Theaterabend zu entwickeln. Neben dem Held Herakles wurden so auch die alltäglichen Helden mit ihren Wünschen und Befürchtungen ins Rampenlicht gerückt.

Wie immer war es ein Wagnis, heißt es doch, in den wenigen Wochen der Probenarbeit mit Theaterneulingen die Szenen zu erarbeiten. Doch bisher war mit den „Experten ihrer Lebenswelten“ schon Erstaunliches entstanden, wie bei den vorherigen Projekten Parzival, Semiramis, Wolkenkuckucksheim zu erleben war. Regisseurin Priska Janssens, die für die Projektleitung und Inszenierung verantwortlich war und schon viele besondere Begegnungen durch ihre Kreativität und Ideenvielfalt ermöglicht hat, stellte auch in diesem Projekt einmal wieder unter Beweis, dass Theater und das Spielen jedem Menschen zugänglich sein kann.

Der rote Faden der szenischen Arbeit lautete: zeig mir den Helden in dir! Jede und jeder hat Momente des Heldentums, sei es in der Schule, im Büro oder zu Hause, auf der Straße, im Supermarkt oder auf dem Amt. Wir suchten nach den Augenblicken, die uns zu Helden machen und gruben nach dem Zündstoff, den diese Momente liefern. Bilder, Gedanken, Träume und Fantasien galt es zu belichten und auf die Bühne zu locken.

Wir nutzten verschiedenste Weltsichten und Lebenserfahrungen als Material, um komplexe Zusammenhänge darzustellen. In diesem Projekt grenzten sich unterschiedliche Sichtpunkte nicht aus, sondern fanden in einem Ganzen zusammen. Spieler wie Zuschauer begaben sich mitten in die lebendigen und widerspruchsvollen Welten eines Stadtteils.

Spielfreudige jeden Alters mit und ohne Theatererfahrung haben sich zu einer Gruppe von rund 40 Menschen zusammen gefunden. Dabei sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne Migrationshintergrund, mit und ohne Handicap. Allen gemeinsam ist die Freude und Lust, etwas ganz Besonders zu leisten.

Nach der ersten Kontaktaufnahme und der Bildung der Produktionsgruppe fanden verschiedene Workshops meist am Wochenende für die unterschiedlichsten Spielgruppen statt. Neben Sprechtraining durch einen Schauspieler, Übungen zu unterschiedlichen Darstellungsformen und handwerklichen Angeboten aus den Reihen der Werkstattleiter im Staatstheater (Plastiker, Theatermaler, Dekorateure) standen die ersten Improvisationen für die Stückentwicklung.

Jetzt hieß es: proben, proben, proben und dem Stück immer ein wenig näher rücken. Nach und nach entwickelten sich Szenen, Stück für Stück bekommt die Aufführung eine Struktur.

Premiere: 13. Juni 2009